Montag, 25. Juli 2022

Das christliche Menschenbild

 und die Gesellschaftspolitik der Ampelkoalition.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Werner Münch auf Conservo, der mir eine gute Klarstellung sein soll, denn es wird viel geschwiegen, wird anpasslerisch geredet, wenn überhaupt oder es ist Mainstream. Und natürlich gehen auch innerkirchlich manche Standunkte auseinander.


Vorbemerkung der Conservo-Redaktion: Mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors bringen wir hier den Wortlaut des am 10.07.22 fertiggestellten Manuskripts eines Vortrags, den Prof. Münch auf dem vom “Forum deutscher Katholiken” organisierten Kongress “Freude am Glauben”, der in diesem Jahr vom 15. bis 17. Juli in Regensburg stattfand, am Eröffnungstag gehalten hat.

“Was Er euch sagt, das tut” lautete das Motto des Kongresses, der vom Regensburger Bischof Vorderholzer mit einem Pontifikalamt eröffnet wurde. 

(...)

ANFANG des Redemanuskripts – Es gilt das gesprochene Wort

1. Unser christliches Menschenbild

Der Verfassungsrechtler Josef Isensee bezeichnet in einem Aufsatz „Christliches Erbe im organisierten Europa“ (in: Juristenzeitung 70, S. 745 – 754) den Gottesbezug in unserer Verfassung als „Ausdruck der Demut und des Respekts vor den unverfügbaren geistigen Mächten der Religion und der Sittlichkeit, die er nicht zu ersetzen vermag…Im Menschenbild des Christentums, das auf Schöpfung und Erlösung gründet, sind wesentliche Züge der modernen Menschenrechte angelegt: die Einheit des Menschengeschlechts, das auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeht, die Gleichheit aller, die von Gott erschaffen sind, die Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen, in dem sich ein Gedanke Gottes verkörpert, seine Personalität und Eigenverantwortung…Die dignitas humana kommt den Menschen als Person zu. Im christlich – jüdischen Glauben ist er das Ebenbild Gottes, der ihn geschaffen hat“. Soweit Josef Isensee.

Die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ in der Präambel unseres Grundgesetzes ist somit eine verbindliche rechtliche und ethische Richtschnur.

Joseph Ratzinger hat schon vor fast 40 Jahren darauf hingewiesen, „dass es selbstverständlich Naturgesetze im Sinne physikalischer Funktionen gibt, das eigentliche Naturgesetz aber sei ein moralisches. Die Natur sei nicht Zufall oder Montage, sondern Schöpfung. Jede staatliche Verfassung ruhe auf Grundlagen, die sie selbst nicht vorschreiben kann, sondern voraussetzen muss“ (s. „FAZ“; 04. 08. 1984).  

Im Ergebnis entnehmen wir diesen Zitaten, dass außer der je persönlichen Verantwortung des Menschenstaatliche und gesellschaftliche Institutionen von der Akzeptanz ethischer und moralischer Grundüberzeugungen leben. In unserer Kultur sind diese christlichen Ursprungs, deren Implementierung uns eine humane Entwicklung beschert hat. Der Hinweis hierauf ist keine Diffamierung Dritter, was die erstaunliche Auffassung von Kardinal Marx ist.

2. Die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Ampel–Koalition

Seit dem 8. Dezember 2021, also schon mehr als 7 Monate, ist die jetzige Bundesregierung im Amt. In ihrem Koalitionsvertrag wird vor allem das Ziel einer großangelegten Transformation unserer Gesellschaft deutlich. Ich beschränke mich in meinem Beitrag ausschließlich auf ihre gesellschaftspolitischen Ziele (die Zitate nennen die jeweiligen Seiten des Koalitionsvertrages; sie stehen im Manuskript).

Schon in der Präambel werden wir darauf eingestimmt, dass

  • jeder „das eigene Leben frei und selbstbestimmt gestalten soll“ (S. 6)
  • zur Ermöglichung „gleichberechtigter Teilhabe“ sollen Rechtsnormen modernisiert werden – „vom Familienrecht bis zum Staatsbürgerschaftsrecht“, weil man „der gesellschaftlichen Realität Rechnung tragen“ will (S. 6) und
  • Kinder eigene Rechte haben, die „im Grundgesetz verankert werden sollen“ (S. 6).

Im Kapitel 5 über Familien und Kinder lauten die Schwerpunkte:

  • „Familien sind vielfältig. Sie sind überall dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen“ (S. 94)
  • Es wird ein „Institut für Verantwortungsgemeinschaft eingeführt, damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe es zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglicht wird, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen“ (S. 101)
  • „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes…Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein“ (S. 101)
  • der „frühkindlichen Bildung“ wird ein „Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards“ zugesagt (S. 95)
  • Kinder werden „mit einer Kampagne über ihre Rechte und Beschwerdemöglichkeiten informiert“ (S. 98)
  • Prävention und Kinderschutz sollen gestärkt werden, wofür eine „kindersensible Justiz sorgen“ wird (S. 99) und
  • den Kindern wird zugesagt, ihnen „ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern zu geben“ (S. 102).

Und schließlich heißt es in dem Unterkapitel „Reproduktive Selbstbestimmung“ (S. 116):

  • Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen
  • Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus – und Weiterbildung werden; sie sind kostenfrei
  • „Gehsteigbelästigungen“ werden „wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegengesetzt“
  • Schwangerschaftskonfliktberatungen sollen auch zukünftig online möglich sein
  • der § 219a wird gestrichen
  • „Die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter“ wird angehoben
  • Künstliche Befruchtung wird „unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein“
  • „Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen“
  • „Embryonenspenden im Vorkernstadium sind legal“, und
  • es wird „eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ eingesetzt, die „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird“.

3. Die Unterschiede zwischen christlichem Menschenbild und den Vorstellungen der Regierung

3.1 Ehe und Familie 

Die Auffassungen der Ampel-Koalition über Ehe und Familie stehen nicht nur im Widerspruch zur Hl. Schrift, in der es heißt: „Gott schuf Mann und Frau“, und zwar „nach seinem Bild“ (Gen 1,27) schuf er den Menschen, sondern auch zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von Juni 2012, in dem es heißt: „Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz“, der in Art. 6(1) unseres Grundgesetzes  wie folgt formuliert ist: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung,“

Zur Vermeidung der letzten Zweifel, ob mit Ehe tatsächlich die von uns gemeinte heterosexuelle Ehe von Vater, Mutter und Kind ist, schreibt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans–Jürgen Papier, in seinem Buch „Die Warnung. Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird“: „Das Bundesverfassungsgericht hat…bis zuletzt in seinen Entscheidungen betont, dass eine Ehe im Sinne des Grundgesetzes nur die ‚Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft‘ ist“ (S. 160).

Und was die Kinder betrifft, so bin ich nicht der Auffassung, dass der Staat oder sogar eine Partei „die Hoheit über die Kinderbetten erreichen muss“ (Olaf Scholz). Mut zum Kind halten wir allein schon deshalb für erforderlich, weil der demographische Niedergang unserer Gesellschaft aufgehalten oder sogar umgekehrt werden muss.

Es ist nicht, wie die Ampel-Regierung meint, im Sinne des Kindeswohls, dass  Kinder möglichst früh in eine Kita gegeben werden, in der man der Bildung Priorität einräumt, denn in den ersten Jahren ist besonders die Bindung zwischen Mutter und Kind viel wichtiger. Die Erkenntnisse der Hirn- und Bindungsforschung sowie der Sozial-Pädiatrie haben uns einen eindeutigen Beleg dafür geliefert, dass die personale Bindung eines Kindes seiner Bildung vorausgeht und frühkindliche Erziehung zuerst „emotionale Fürsorge, Zuwendung und Zärtlichkeit ist“ (Jürgen und Martine Liminski, „Die Krippe – nur ein Notbehelf“, in: „Der Fels“, 12/2014, S. 355 – 359).

Und Konstruktionen (von sog. „Familien“) für gleichgeschlechtliche Paare mit Adoptionen oder Genehmigung von Leihmutterschaften sind für jedes Kind, das dadurch ohne Vater oder ohne Mutter aufwächst, mit Defiziten verbunden.

Und trotz aller Bemühungen um das Kindeswohl: Eine gesonderte Einbeziehung von Kinderrechten in unsere Verfassung ist völlig überflüssig, weil diese Rechte längst in unserer Verfassung verankert sind, und zwar besonders in Art. 1 (1): „Die Würde des Menschen ist unantastbar…“ und Art. 6 (1): „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“. Wenn aber dann im Koalitionsvertrag noch zusätzlich erklärt wird, dass

  • mit einer Kampagne „Kinder über ihre Rechte und Beschwerdemöglichkeiten“ informiert werden sollen (S. 98)
  • der Staat „für eine kindersensible Justiz“ sorgen will (S. 99) und
  • den „Kindern „ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern“ gegeben werden soll (S. 102),

dann haben wir doch den begründeten Verdacht, dass der Staat die Absicht hat, sich zusätzliche Rechte zu Lasten der Elternrechte zu erobern, die ihm nicht zustehen.

Kardinal Sarah hat hierzu folgende anschauliche Bewertung abgegeben: „Ich glaube, dass die Familie eine Instanz ist, die der Teufel ganz und gar nicht ausstehen kann. Weil sie der Ort der Liebe und der bedingungslosen Selbsthingabe schlechthin ist, ruft sie seinen Hass und seine Gewalttätigkeit hervor…Weil Gott selbst als Säugling auf die Welt kam, wurde die Unschuld jedes Kindes für Satan unerträglich, spiegelt sie doch die Unschuld Gottes wider“. (Robert Kardinal Sarah/Diat N., Herr bleibe bei uns…, S. 201).

Hier Ende des Redeauszuges.

Weitere Kritikpunkte sind Stammzellenforschung, Präimplantationsdiagnostik (PID),Leihmutterschaft, Abtreibung,  Suizid-Assistenz

https://www.conservo.blog/2022/07/21/christliches-menschenbild/


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